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Fast vergessen: Fünf Frauen, die das Steuer übernahmen

Aktualisiert: 19. Mai

Die Geschichte des Automobils wurde lange fast ausschließlich als Männergeschichte erzählt – voller Pioniere, Unternehmer, Erfinder und Rennfahrer. Namen wie Carl Benz, Ferdinand Porsche oder Henry Ford prägten die gängigen Narrative. Doch hat sich der Blick geweitet: Auch Frauen rücken zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Schild mit der Aufschrift „Frau ans Steuer!“ vor einem historischen Benz-Dreirad im PS.SPEICHER.
Unser Erzählstrang "Frau ans Steuer!" in der PS.SPEICHER Erlebnisausstellung zeigt euch Heldinnen auf Rädern, deren Mut heute wieder Vorbild sein kann.

Bertha Benz, Sophie Opel, Amelia Earhart – auch ihre Namen sind heute weitgehend bekannt. Doch sie waren nicht allein, viele weitere Frauen haben auf ihre ganz eigene Art und Weise Mobilitätsgeschichte geschrieben. Sie lenkten Autos, Firmen und gesellschaftliche Erwartungen. Hier stellen wir euch fünf faszinierende Persönlichkeiten vor, die längst mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.


Louise Sarazin-Levassor – Netzwerkerin der Motorisierung

Historisches Schwarz-Weiß-Porträt von Louise Sarazin, eine bedeutende Förderin des Automobils in Frankreich.
Louise Sarazin brachte den Daimler-Motor nach Frankreich.

Als ihr Ehemann, Daimlers Lizenzvertreter in Paris, 1887 überraschend starb, übernahm Louise Sarazin entschlossen die laufenden Verhandlungen. Sie sicherte sich das Vertrauen von Gottlieb Daimler, verhandelte exklusive Nutzungsrechte für Frankreich und überzeugte schließlich die Ingenieure Émile Levassor und René Panhard, den Verbrennungsmotor für Straßenfahrzeuge weiterzuentwickeln.

Sie lizenzierte die Technik, sicherte sich vertraglich bis zu 20% Gewinnbeteiligung und schuf damit die wirtschaftliche Basis für die erste französische Serienautomobilproduktion. Ihre Entscheidungen hatten direkten Einfluss auf den Aufstieg der französischen Autoindustrie – als Unternehmerin, Vermittlerin und Strippenzieherin hinter den Kulissen.

Später heiratete sie Émile Levassor - doch ihre Bedeutung reicht weit über ihren Namen hinaus: Louise Sarazin war eine kluge Geschäftsfrau mit technischer Weitsicht.





Herzogin von Uzès – erste Frau mit Führerschein in Frankreich

Porträtgemälde von Bertha Benz, der Pionierin des Automobils und Fahrerin der ersten Fernfahrt mit einem Motorwagen.
Die Herzogin von Uzès, die erste Frau mit Führerschein.

Die Herzogin von Uzès, mit vollem Namen Marie Adrienne de Rochechouart de Mortemart, war 1898 die erste Frau in Frankreich mit einer offiziellen Fahrerlaubnis. Kurz darauf erhielt sie - ebenfalls als erste Frau - eine Strafe für zu schnelles Fahren. Als leidenschaftliche Autofahrerin nutzte sie ihre gesellschaftliche Stellung gezielt, um Frauen im Straßenverkehr sichtbarer zu machen. Sie gründete 1926 den Automobile Club Féminin de France, organisierte eigene Rallyes und fuhr selbstbewusst gegen den Strom gesellschaftlicher Konventionen. Politisch war sie dagegen stark konservativ geprägt und unterstützte finanziell royalistische und republikfeindliche Bewegungen.







Maud Manville – Adrenalin auf vier Rädern

Maud Manvilles Start in München bei der II. Herkomer-Konkurrenz 1906. Quelle: Allgemeine Automobilzeitung, 1906, Nr. 25, S. 38.
Maud Manvilles Start in München bei der II. Herkomer-Konkurrenz 1906. Quelle: Allgemeine Automobilzeitung, 1906, Nr. 25, S. 38.

Während andere Frauen um gesellschaftliche Anerkennung kämpften, stand Maud Manville 1905 als Teilnehmerin am Start der ersten Rennstrecken Europas. Die Britin fuhr nicht nur bei den berühmten Herkomer-Konkurrenzen in Deutschland mit, sondern schlug in Einzelrennen männliche Konkurrenten – meist mit einem 35 PS starken Daimler, den sie souverän beherrschte.

Maud war ein Star bei Gymkhanas des Ladies’ Automobile Club, gewann Wettrennen mit Lanze und Ring und berichtete später selbst über ihre Erlebnisse in der Fachpresse. Ihre Karriere war kurz – sie verstarb bereits mit 37 Jahren – aber sie bewies: Frauen konnten nicht nur fahren, sondern auch gewinnen. Und das mit Stil, Witz und Benzingeruch in der Nase.


Dorothée Pullinger – Ingenieurin, Unternehmerin, Vorkämpferin

Ein Auto für Frauen – daran arbeitete Dorothée Pullinger in den 1920er Jahren. Als Tochter eines Automobilingenieurs wuchs sie in Frankreich und Schottland mit der Technik auf. Doch sie wollte nicht nur zuschauen, sondern gestalten.

Während des Ersten Weltkriegs leitete sie eine Munitionsfabrik, danach übernahm sie die Leitung von Galloway Motors, einem Tochterunternehmen von Arrol-Johnston. Der Clou: Pullinger ließ dort nicht nur Autos speziell für Frauen fertigen, sondern bildete gleich eine neue Generation Ingenieurinnen in einer angegliederten Schule aus.

Als erste Frau wurde sie 1921 vollwertiges Mitglied der „Institution of Automobile Engineers“, nachdem diese sie zunächst mit dem Titel „assoziiertes Mitglied“ abspeisen wollte. Ihre Botschaft: Frauen gehören nicht nur auf den Beifahrersitz, sondern ans Steuer – und ins Planungsbüro.


Liliane Roehrs – Fahrerin, Netzwerkerin, Clubgestalterin

Liliane Roehrs war nicht nur eine ambitionierte Rennfahrerin, sondern auch eine kluge Netzwerkerin mit Gespür für Wirkung und Wandel. In den 1920er-Jahren trat sie bei motorsportlichen Veranstaltungen an – oft in Fahrzeugen der Marken Hanomag oder Adler, deren Vertrieb ihr Ehemann Bobby Roehrs verantwortete. Ihre Auftritte auf der Rennstrecke verbanden so persönliche Leidenschaft mit professioneller Sichtbarkeit – eine damals ungewöhnliche, aber durchaus wirkungsvolle Strategie.

Roehrs war von Anfang an eng mit dem Deutschen Damen Automobil Club (DDAC) verbunden. Als eine der ersten Sportfahrerinnen trat sie der Organisation bei, baute die Ortsgruppe Hannover mit auf und hielt den Club während der NS-Zeit mit einer kleinen Gruppe engagierter Frauen am Leben – obwohl der Begriff „DDAC“ inzwischen vom nationalsozialistischen Einheitsclub vereinnahmt worden war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte sie zu den zentralen Personen der Wiedergründung des DDAC im Jahr 1949 und übernahm später auch die Leitung des Clubs. Damit prägte sie über Jahrzehnte hinweg die Entwicklung weiblicher Automobilkultur in Deutschland – auf der Straße, in der Organisation und im Bewusstsein der Öffentlichkeit.


Vergessene Geschichten, die wieder Fahrt aufnehmen

Diese fünf Frauen waren mutig, kreativ, leidenschaftlich – und entschieden sich früh dafür, ihren eigenen Weg zu gehen. Ihre Geschichten zeigen, dass der Weg zur Gleichberechtigung auf der Straße zwar mit Bertha Benz begann, aber von vielen Schultern weitergetragen wurde.

Und genau deshalb ist es Zeit, sie sichtbar zu machen. Im der Erlebnisausstellung des PS.SPEICHER erzählen wir nicht nur Technikgeschichte, sondern auch von den Menschen dahinter. Unser Themenstrang "Frau ans Steuer!" zeigt euch Heldinnen auf Rädern, deren Mut heute wieder Vorbild sein kann.

Warum nicht einmal Mobilitätsgeschichte aus einer neuen Perspektive erleben? Erkundet dafür unsere Erlebnisausstellung oder bucht euch die Themenführung "Frau ans Steuer!".









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