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Weltenbummler: Mit Hudo einmal um die Welt fahren - Teil 2

Absoltuer Hingucker: Im September 2021 ist Heidi Hetzers Hudo das "Objekt des Monats".
Mit ihrem Hudson Greater Eight, genannt Hudo, möchte Heidi Hetzer in das Abenteuer "Weltreise" starten. Das Fahrzeug, Baujahr 1930, hat sie für 29. 000 Euro in München gekauft. Doch bevor die Reise beginnen kann, muss sich der über 80-jährige Oldtimer erstmal Umbauten und einer Rundumerneuerung unterziehen. 2014 ist es dann soweit.


Los geht’s…

66.200 km verzeichnet Hudo auf seinem Tacho, als Heidi Hetzer ihn übernimmt. Ab dem 27. Juli 2014 kommen tausende hinzu. An diesem Tag beginnt ihre Reise. Mit einem Monat Verzögerung bricht sie in ihrer Heimatstadt Berlin auf. Mit Ersatzteilen und Werkzeug im Gepäck verlässt sie, gemeinsam mit einem Beifahrer, die Hauptstadt in Richtung Osten. Doch schon hinter der Stadtgrenze steigt der damals 25-jährige Reisefotograf aus Hudo und somit dem Projekt aus. Als ehemalige Rallyefahrerin habe sie wohl zu viel Gas gegeben, erklärt Hetzer in einem Artikel des „Tagesspiegel“. Der Grund warum sie bereits nach wenigen gemeinsamen Kilometern die Fahrt allein fortsetzt. Der Fotograf ist nicht der letzte Beifahrer der „aussteigt“. Ihm folgen auf der über zwei Jahre dauernden Tour mehrere Reisegefährten.

Von Wien bis Istanbul begleitet Heidi Hetzer und Hudo eine Journalistin der „B.Z.“, bis ihr neuer Beifahrer nach elf Tagen in der Türkei den Platz übernimmt. Doch schon nach knapp sechs Wochen trennen sich in Usbekistan die Wege von Hetzer und dem Techniker und EDV-Spezialisten wieder. Für den Rest der Erdumrundung sollen ab da verschiedene Leute über kurze Strecken dabei sein. Die Berlinerin erlebt ihr Abendteuer den größten Teil der Zeit alleine.


„Wenn einer eine Reise tut…“

Anders als die menschlichen Begleiter, bleibt der Hudson Greater Eight an ihrer Seite. In ihrem Buch „Ungebremst Leben“ beschreibt Hetzer ihr Auto als „reisetauglichen Gentleman mit Schrullen“. Ständig sei der Motor richtig kaputt gewesen, wodurch sie zwei, teilweise drei Monate festgestanden habe. Zweimal musste sie den Motor gegen den Reservemotor austauschen lassen. Es sind aber nicht nur die ständigen Pannen, die ihr den Zeitplan erschweren. In Australien muss sie befürchten, Hudo nicht rechtzeitig aus dem Zoll auslösen zu können. Auch das Stehlen ihres Passes sorgt für Verzögerung. Deswegen dauerte ihre Erdumrundung am Ende sieben Monate länger, als ursprünglich geplant.

Hetzers Ziel war es den Globus innerhalb von zwei Jahren zu umrunden, wie Clärenore Stinnes in den 1920er Jahren, die sie zu dieser Reise inspiriert hat. Auf den Spuren der Industriellentochter durchquert Hetzer 46 Länder. Die ehemalige Opel-Händlerin steuert ihren petrolfarbenen Pkw über die Türkei nach Israel und China. Hier passiert sie den 3.752 m hohen Torugart Bergpass bei -26 Grad Celsius Innentemperatur auf ihrem Weg nach Südostasien allein.

Anschließen geht es mit dem Schiff nach Australien. Hetzer bereist mit Hudo Perth, bevor sie den Kontinent bis Melbourne durchquert, um schließlich nach Neuseeland überzusetzen. Ab hier hat der 4.7-Liter Hudson Greater Eight, mit dem Reihensechszylinder-Motor und den Holzfelgen, eine längere Verschnaufpause. Das Fahrzeug, das einen Verbrauch von 17 Litern auf 100 km hat, setzt mit einem Containerschiff in die USA über, während seine Besitzerin mit dem Flugzeug nach Long Beach vorfliegt.


Wie das Leben so spielt!

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten erkundet Hetzer mit ihrem Hudo von West nach Ost. Doch in der „Neuen Welt“ widerfährt der Motorsportlerin nicht nur Gutes. Weil Hudo Öl, verliert bringt ihn die Mitsiebzigerin in eine Werkstatt. Während der Hudson auf der Hebebühne für seine „Untersuchung“ bereitsteht, möchte die gelernte KFZ-Mechanikerin schauen, woher der Ölverlust kommt. Mit einem Lappen entfernt Hetzer bei laufendem Motor die Öltropfen. Das Vorgehen führt zu einem tragischen Unfall. Da der Motor zu warm ist, springt der Lüfter an, weht die Lappen in die Luft und zerfetzt mehrere Finger ihrer rechten Hand. Im Krankenhaus muss der kleine Finger amputiert werden, der mittlere bleibt steif. Trotz der kaputten Hand setzt Heidi Hetzer ihre Reise zeitnah fort.

Doch der Unfall mit ihrer Hand ist nicht der einzige Schrecken, der ihr in Amerika widerfährt. Erneut mit einem Schiff setzt die Abenteuerin ihre Reise fort und steigt in Chile vorzeitig aus. Mit einem Bus reist sie von Ecuador bis nach Lima in Peru. Hudo kommt auf einem Frachtschiff nach. Mit einer neuen Beifahrerin feiert Heidi Hetzer Silvester. Doch dann im Januar 2016 der Schock und die Frage, ob die Berlinerin ihren Lebenstraum abbrechen muss. Heidi Hetzer erhält eine Krebsdiagnose.

Während die Deutsche zur Behandlung in ihr Heimatland fliegt, kommt Hudo in Lima für die Zeit ihrer Abwesenheit im Nicolini Museum für Oldtimer unter. Doch die Berlinerin lässt sich nicht zuhause operieren, sondern in Essen. Auf die Frage, warum sie nicht Berlin zurückkommt, sagt Hetzer in einem Interview, sie habe Berlin in Richtung Osten verlassen und wolle, zusammen mit Hudo, am Ende ihrer Reise aus Richtung Westen zurückkehren. Nicht vorher! In Essen muss sie sich zwei Operationen unterziehen, bei denen der Krebs vollständig entfernt werden kann. Ans Aufgeben denkt Heidi Hetzer nie. In einem Interview mit dem „explorer“ sagt sie: „Mich treibt die Neugier an, die Welt zu sehen. Warum soll ich jetzt mit meiner Reise aufhören? Es gibt keinen Grund, nicht weiter zu machen. Zu Hause ist doch nüscht. Da renne ich doch eh nur von einer Party zur nächsten.

Einen Monat nachdem die taffe Berlinerin in Lima die Diagnose erhalten hat, ist sie zurück in Südamerika, um die Reise mit Hudo fortzusetzen. 2000 Kilometer fährt sie von Lima nach Santiago de Chile. Ihr nächstes Ziel: Argentinien, inklusive Andenüberquerung. In Buenos Aires geht es für Hudo wieder auf einem Schiff weiter, während die ehemalige Autohausbesitzerin den Flieger nach Südafrika nimmt.


Wieder Berliner Luft schnuppern

Doch auch hier läuft für Heidi Hetzer nicht alles nach Plan. Von Kapstadt begeistert, warten während ihrer Rundtour einige Unannehmlichkeiten auf sie. Ihr wird eine Goldkette vom Hals gerissen, das Navi aus dem Wagen geklaut und der Hudson Greater Eight komplett leergeräumt. Nach einer verhältnismäßig kurzen Reisestrecke nimmt sie Anfang Januar 2017 ein Schiff nach Spanien. Über Südspanien, Italien und Frankreich geht es für Hudo und seine Besitzerin zurück nach Deutschland. Nach 960 Tagen und 85.000 km erreichen sie am 12. März 2017 das Brandenburger Tor in Berlin.

Während ihrer Zeit auf Reisen erlangte die Motorsportlerin mit ihrem „petrolfarbenen Gentleman“ über die Grenzen Berlins hinaus Berühmtheit. Bei ihrer Ankunft säumten hunderte Fans, Fotografen und Journalisten die Straßen rund um das Wahrzeichen, um die 79-jährige in der Heimat willkommen zu heißen.

Nicht nur ihre Heimatstadt begrüßt die Weltreisende. Ein Jahr nach dem Ende ihrer Reise empfängt der PS.SPEICHER Heidi Hetzer bei den Einbecker Oldtimertagen. Die Rentnerin nimmt am Korso durch die Innenstadt teil. Mit welchem Fahrzeug ist ja klar: ihr Hudo! Zu der Zeit habe ich noch nicht im PS.SPEICHER gearbeitet und Heidi Hetzer mit ihrer beeindruckenden Geschichte nicht kennengelernt. Das werde ich auch leider nicht, denn sie verstarb am 21. April 2019. Dafür habe ich aber Hudo im letzten Jahr live und in Farbe „getroffen“. ;-)

Der Weltenbummler war im September 2021 das Objekt des Monats und hat die Gäste im Museumfoyer begrüßt. Wenn ihr auch Lust habt, das besondere Exponat mal anzuschauen, kommt im PS.SPEICHER vorbei und dann staunt, was der Wagen mit der Trockenkupplung mit dem unsynchronisiertem Drei-Gang-Getriebe euch zu erzählen hat. :-)

Ein Jahr nach ihrer Weltreise ist Heidi Hetzer in Einbeck

Bildquelle: Frank von Grothuss

Mit ihrem "Hudo" ist die Berlinerin im Korso durch Einbeck mit dabei

Bildquelle: einpicture: Florian Everding